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Baden-Baden feiert Pierre Boulez

| Christine Gehringer | PAMINA kurz notiert

Im kommenden Jahr feiert die Stadt Baden-Baden seinen 2016 verstorbenen Ehrenbürger Pierre Boulez: Am 26. März 2025 hätte der Komponist und Dirigent, zugleich einer der weltweit bedeutendsten Tonschöpfer der Nachkriegszeit, seinen 100. Geburtstag. Dieser Ehrentag wird aber nicht nur im Festspielhaus und beim SWR gefeiert, wie man vielleicht denken könnte, nein: Die gesamte Stadt erweist Pierre Boulez die Ehre. Einen Einblick in das Programm gab es gestern bei einem Pressegespräch im Festspielhaus Baden-Baden.

An den zahlreichen Aktionen, die sich über mehrere Monate erstrecken, beteiligen sich Einrichtungen wie die Stadtbibliothek, die Philharmonie Baden-Baden und das Stadtmuseum, sogar die Kinderkunstwerkstatt des Frieder-Burda-Museums ist mit von der Partie. Das nämlich entspricht der Präsenz, die Pierre Boulez in Baden-Baden zeigte – an jenem Ort, in dem er mehr als 60 Jahre lang gelebt hat. „Er war als Fußgänger in der Stadt unterwegs, besuchte Geschäfte“, sagt Festspielhaus-Intendant Benedikt Stampa. Er habe über den Tellerrand hinausgesehen und nicht etwa nur „Selbstbespiegelung“ aus dem Elfenbeinturm betrieben – eine Eigenschaft, die man der als „weltfremd“ geltenden Neuen Musik oft nachsagt. Pierre Boulez jedoch habe Nahbarkeit und Weltgeltung vereint, so Stampa. Außerdem ließ er sich, wie viele Musiker, auch von Literatur und den bildender Künsten inspirieren. Zudem war er ein regelmäßiger Konzertgänger.

Da ist es nur folgerichtig, den Komponisten und Menschen Pierre Boulez für die Baden-Badener auch entsprechend „niedrigschwellig zugänglich zu machen“, so Petra Heuber-Sänger, die Leiterin des Kulturbüros. Oberbürgermeister Dietmar Späth ist sich sicher, dass Boulez nach dem kommenden Jahr in der Stadt einen "ganz anderen Stellenwert" haben wird. Denn: „Je mehr man sich mit der Persönlichkeit von Pierre Boulez beschäftigt, umso faszinierender wird sie“.

Einst wollte Pierre Boulez, als ein Gegner des „Establishments“, in den 1960er Jahren die „Opernhäuser in die Luft“ sprengen – um dann Jahre später in Bayreuth den so genannten „Jahrhundertring“ zu dirigieren. Deshalb müsse man das Zitat inzwischen umdrehen, sagt Rüdiger Beermann, Mediendirektor des Festspielhauses - denn Pierre Boulez (der in seiner Laufbahn große Sinfonie- und Opernorchester dirigierte) sei vielmehr zum „Hoffnungsträger“ der Opernhäuser geworden.
In Paris gründete Boulez zudem das IRCAM-Institut; seine Arbeiten und Ideen im Bereich der elektronischen Musik beeinflusste letztlich auch die Club-Kultur. Pop-Künstler wie Frank Zappa profitierten davon, mit ihm arbeitete Boulez ebenso zusammen.

Dieses vielseitige und einflussreiche Schaffen spiegelt sich auch im Programm zum „Boulez-Jahr“: Es beginnt mit einer Verwandlung des Festspielhauses in ein riesiges „Opern-Kino“ - vom 23. bis 26. Januar 2025 ist der besagte „Jahrhundertring“ als Film in voller Länge zu sehen. Pierre Boulez und der damals junge französische Regisseur Patrice Chereau sorgten zunächst für einen Theater-Skandal, der sich später aber zu einem großen Triumph entwickelte.

Umfassend gefeiert wird natürlich der Geburtstag selbst: Unter dem Motto „Schule des Lebens“ steht am 26. März eine Veranstaltung, die bereits morgens kurz vor acht Uhr im Festspielhaus beginnt. Dann nämlich gibt es für Schüler einen Unterricht in den MINT-Fächern zum Thema „Pierre Boulez“: Der Komponist trug sich nämlich ursprünglich mit dem Gedanken, Mathematik zu studieren; auch in seinen Werken spielen Logik und Rationalität eine große Rolle.
Außerdem wird der Platz von dem Festspielhaus in „Pierre-Boulez-Platz“ umbenannt, was den Anspruch Baden-Badens als Kulturstadt – auch in der Gegenwart – nochmals unterstreiche, so Benedikt Stampa. Für den Abend ist ein Geburtstagsfest mit großem Bühnenprogramm geplant.
Daneben gibt es zum Beispiel einen interaktiven Stadtspaziergang („Finding Pierre“), für die Jugend ein „DJ-Klassenzimmer“ im Festspielhaus, ab Mai eine Ausstellung der Fotografin Simone Demandt im Stadtmuseum, im Juni dann ein Symposium an der Musikhochschule Karlsruhe („Neue Perspektiven in der Live-Elektronik“).

Höhepunkt der Feierlichkeiten sind aber die kommenden Pfingstfestspiele (31. Mai bis 9. Juni 2025) mit dem SWR Symphonieorchester im Festspielhaus Baden-Baden. Hier beteiligen sich außerdem das London Symphony Orchestra, das Ensemble Intercontemporain sowie das Ensemble Recherche Les Siecles aus Paris. Auch Studierende der Musikhochschulen Karlsruhe und Freiburg sind vertreten. Der Pianist Pierre-Laurent Aimard gibt ein Konzert und eine Meisterklasse.
Im Rahmen der Pfingstfestspiele ist unter anderem auch ein Glockenkonzert von Alexander Grebtchenko (Freiburg) zu erleben: Dies ist eine Auftragskomposition des Festspielhaus Baden-Baden; täglich um 15 Uhr sollen in der Innenstadt in Baden-Baden die Glocken läuten – und auf diese Weise den Namen Pierre Boulez nochmals in die gesamte Stadt hineintragen.