Kritik
Selbstmord in f-moll
| Christine Gehringer | Kritik
Die Geschichte eines Anti-Helden: "Tolomeo" bei den Karlsruher Händel-Festspielen
Suggestive Bilder wählte Regisseur Benjamin Lazar für die Inszenierung der Oper "Tolomeo", die im Rahmen der Händel-Festspiele am Karlsruher Staatstheater zu sehen ist. (Foto: Falk von Traubenberg)
"Außer Einschlafen gelingt Tolomeo in der Oper nichts“. Dies konstatierte augenzwinkernd die Musikwissenschaftlerin Silke Leopold im Rahmen eines Symposiums, das die diesjährigen Händel-Festspiele begleitete. Doch ganz so ist es natürlich nicht: Tolomeo mag zwar ein Anti-Held sein, aber dafür ist er ein Held der Treue und des Mitgefühls. Und er ist einer, der sich den Widrigkeiten entgegen stellt. Damit - und das ist sicher das Reizvolle am diesjährigen Festival – steht die Oper „Tolomeo Re d‘ Egitto“ im völligen Kontrast zum Show-Helden „Serse“. Glamour auf der einen Seite, völlige Verinnerlichung und Klagen auf der anderen. Das muss man erst einmal aushalten.
Ein weltvergessener Schwanengesang
| Christine Gehringer | Kritik
Festspielhaus Baden-Baden: Diana Damrau, Valery Gergiev und die Münchner Philharmoniker gastierten mit Strauss und Bruckner
Die Sopranistin Diana Damrau und die Münchner Phiharmoniker unter Valery Gergiev mit den "Vier letzten Liedern" von Richard Strauss im Festspielhaus Baden-Baden. (Foto: Festspielhaus)
Anton Bruckner verstand das „Adagio“ in seiner Siebten Sinfonie als „Trauermusik“ für Richard Wagner (dessen Todestag sich übrigens genau heute jährt), und Richard Strauss schrieb kurz vor seinem Tod jene Vokalwerke, die heute als „Vier letzte Lieder“ bekannt sind: Unter dem Titel „Schwanengesang“ waren diese Werke vor kurzem im Festspielhaus zu hören - mit Diana Damrau, die den Strauss-Zyklus bereits im vergangenen Jahr mit dem Orchester des Bayerischen Rundfunks auf CD aufgenommen hatte, damals noch unter Mariss Jansons, was dann auch, dies nur nebenbei, zu dessen eigenem „Schwanengesang“ geriet. Nun waren die Münchner Philhamoniker (die wiederum auf eine lange Bruckner-Tradition zurückblicken) mit ihrem Chefdirigenten Valery Gergiev zu Gast.
Eine Intensität, die erschüttert
| Christine Gehringer | Kritik
Das Marmen Quartet spielte im Schloss Bruchsal unter anderem Mendelssohns letztes Streichquartett
Das Londoner Marmen bei den Proben im Schloss Bruchsal im Rahmen der Schlosskonzerte. (Foto: Hans-Peter Henecka)
Alle drei Jahre wird im kanadischen Urlaubsort Banff – vor der Kulisse der Rocky Mountains – ein Streichquartett-Wettbewerb ausgetragen. Einer der beiden Gewinner des Jahres 2019 war das Marmen Quartet, das in London beheimatet ist und bei seiner Tournee nun auch im Schloss Bruchsal gastierte: mit Werken von Haydn, Ligeti und Mendelssohn.
(Hinweis: Das Konzert wurde vom SWR aufgezeichnet und ist am 4.4. ab 20.03 Uhr im Abendkonzert zu hören).
"Sein größter Wunsch war es, dass seine Musik in Karlsruhe gespielt wird"
| Christine Gehringer | Kritik
Staatstheater Karlsruhe: Würdiges Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus/ Kantate des Karlsruher Komponisten Richard Fuchs aufgeführt
Die Badische Staatskapelle gedachte der Opfer des Nationalsozialismus unter anderem mit Musik des Karlsruhers Richard Fuchs. (Foto: Chris Frühe)
Zur Erinnerungskultur der Stadt Karlsruhe gehört unter anderem das „Gedenkbuch für die Karlsruher Juden“, das in unermüdlicher, ehrenamtlicher Recherchearbeit fortgeschrieben wird und online abrufbar ist.
Dazu gehört auch die Benennung des Theater-Vorplatzes in „Hermann-Levi-Platz“ – um nur einige der Projekte zu nennen.
Vor kurzem gab es ein wunderbares musikalisches Zeugnis: Seit ungefähr zehn Jahren ist man in Karlsruhe dabei, die Musik des Komponisten Richard Fuchs (1887 – 1947) wieder zu entdecken. Seine Kantate „Vom Jüdischen Schicksal“ stand im Zentrum eines denkwürdiges Konzerts am Staatstheater zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz.
Mediale Oper oder: Wenn die Akteure nur Statisten sind
| Christine Gehringer | Kritik
Zur Produktion von Puccinis "Turandot" am Staatstheater Karlsruhe
Bunte Bilder, schwache Regie: Wenig überzeugend ist die Oper "Turandot" am Staatstheater Karlsruhe. (Foto: Falk von Traubenberg)
Manche Regisseure möchte man gerne fragen, ob das Geschehen auf der Bühne bei der Umsetzung ihrer eigenen Ideen eigentlich sehr stört. Diesen Eindruck hat man jedenfalls bei der derzeitigen Produktion von Puccinis „Turandot“ am Karlsruher Staatstheater: Sie ist eine Zusammenarbeit mit dem Teatro Massimo in Palermo, dem Teatro Communale di Bologna und dem Lakhta Center in St. Petersburg. Fabio Cherstich hat die Oper in Szene gesetzt; die fragwürdigen, im Grunde eher störenden Videosequenzen stammen vom russischen Künstlerkollektiv AES+F.
Eindeutig fiel die Regie beim Karlsruher Publikum durch, musikalisch ist das populäre Werk allerdings ein großer Genuss.
Im neuen Gewand
| Christine Gehringer | Kritik
Schlosskonzerte Ettlingen: Beethoven mit den Ludwig Chamber Players
Die Ludwig Chamber Players eröffneten das Beethoven-Jahr bei den Ettlinger Schlosskonzerten mit unbekannten Werken. (Foto: PR)
Beethoven, wie ihn keiner kennt“ oder „Der andere Beethoven“: Im Jubiläumsjahr setzen manche Ensembles offenbar nicht nur auf die Sonaten und Quartette des großen Tonschöpfers, sondern auch auf Kleinode aus dem Raritäten-Kabinett. Beim jüngsten SWR-Schlosskonzert in Ettlingen taten das jetzt die „Ludwig Chamber Players“, die größtenteils im SWR Symphieorchester miteinander musizieren. Schon deren Name verweist unter anderem auf die Nähe zur Musik um 1800.
(Hinweis zum Nachhören: Das Konzert wird am 15.02. ab 20.03 im SWR2 Abendkonzert gesendet.)
Unglaublicher Kraftakt
| Christine Gehringer | Kritik
Musikhochschule Karlsruhe: Start ins Beethoven-Jahr mit der "Neunten"
Die Studierenden der Musikhochschule Karlsruhe begeisterten mit "Beethovens Neunter" im Wolfgang-Rihm-Forum. (Foto: Gehringer)
Beethovens Sinfonie Nr. 9 – das ist ein sportliches Unterfangen für eine Musikhochschule. Doch dieses Werk ist bestens dazu geeignet, junge Studierende sämtlicher Fachrichtungen auf der Bühne zusammenzubringen. Wenn die Aufführung nur einigermaßen gelungen ist, kann man zudem sicher sein, dass der Funke ebenso auf das Publikum überspringt ...
200 Jahre - und zeitlos lebendig
| Christine Gehringer | Kritik
Schubertiade Ettlingen: Junge Duos begeisterten mit Liedern von 1820
Die Stuttgarter "Schubert-Klasse" von Thomas Seyboldt begeisterte bei der Ettlinger Schubertiade im Asamsaal. (Foto: Gehringer)
"Es ist eine Freude, mit diesen jungen Leuten zu arbeiten“, befand der Pianist Thomas Seyboldt am Ende eines Konzerts, der den Komponisten Franz Schubert in vielen, auch unbekannten Facetten beleuchtete: mit Liedern, die fast alle im Jahr 1820 entstanden sind.
Dass die Arbeit mit der Schubert-Klasse, die Seyboldt an der Stuttgarter Musikhochschule betreut, eigentlich nur Freude bereiten kann, glaubt man gerne aufs Wort. Viele interessante junge Stimmen stellten sich jetzt im gut besuchten Ettlinger Asamsaal vor.