Kritik
Ein Fenster zur Seele
| Christine Gehringer | Kritik
Claude Débussys Oper "Pelléas und Mélisande" am Staatstheater Karlsruhe
Der Wald als Symbol des Geheimnisvollen: Débussys "Pelléas und Mélisande" ist derzeit am Staatshteater Karlsruhe zu sehen. (Foto: Falk von Traubenberg)
Pelléas und Mélisande - eine Musik mit einem hypnotischen Zauber, und dazu eine geheimnisumwobene Geschichte, die nie wirklich erzählt wird. Eine Oper ohne große Arien, erst recht ohne Massenszenen, ja im Grunde sogar ohne Handlung im eigentlichen Sinne. Das ist verstörend und faszinierend zugleich.
Für diese Oper, bezeichnet als ein "Schlüsselwerk" in der französischen Musikgeschichte, gibt es derzeit den Luxus des mehrfachen Interpretationsvergleichs, denn an drei Theatern des Südwestens ist sie zu sehen: In Freiburg, in Mannheim und jetzt auch in Karlsruhe. Die Regie von Benjamin Lazar ist eine sehr atmosphärische Darstellung eines psychologischen Dramas, das Claude Débussy auf der Textgrundlage von Maurice Maeterlincks gleichnamigem Schauspiel schrieb.
Glanzvolles Spätwerk
| Christine Gehringer | Kritik
Das Athos Ensemble begeisterte mit Rossinis "Petite Messe solennelle" in St. Cyriakus in Karlsruhe
Das Athos Ensemble mit Rossinis "Petite Messe Solennelle" in der Kirche St. Cyriakus in Karlsruhe. (Foto: Gehringer)
Die "Petite Messe solennelle" von Gioacchino Rossini hat ihren festen Platz im Repertoire größerer Konzertchöre. Sicher - es gibt Werke, die wesentlich populärer und häufiger zu hören sind. Aber dieses beeindruckende Alterswerk des Opernkomponisten (der sich zu diesem Zeitpunkt, 1863, allerdings schon längst zur Ruhe gesetzt hatte) - es begeistert sein Publikum immer wieder aufs Neue. So auch in der Kirche St. Cyriakus in Karlsruhe-Bulach, wo die "Petite Messe" vor kurzem mit dem Athos Ensemble zu hören war.
Das ist nicht verwunderlich: Denn dieses Spätwerk vereint alles - nämlich schönsten Belcanto und eine dichte Satztechnik, hinzu kommen effektvolle (teils dissonante) Harmonien.
Nachtstimmung und dämonische Urgewalt
| Christine Gehringer | Kritik
Im besten Sinne romantisch: Klavierabend mit Hélène Grimaud im Festspielhaus Baden-Baden
Die Pianistin Hélène Grimaud gastierte mit einem französischen Programm im Festspielhaus Baden-Baden. (Foto: PR/ Mat Henneik/ DG)
"Musik muss so durchsichtig sein, dass man bis auf den Grund sehen kann und dass durch diese Durchsichtigkeit ein Gedicht hindurchschimmert" - mit diesen Worten wird der zeitgenössische ukrainische Komponist Valentin Silvestrov im Programmheft zitiert.
Der Klavierabend von Hélène Grimaud im Festspielhaus Baden-Baden hatte viel von dieser fragilen Durchsichtigkeit - war aber auch nicht ganz unproblematisch. Die französische Pianistin, bekannt für oft ungewöhnliche Rezitals, gestaltete den ersten Teil nahezu vollständig mit dem Programm auf ihrer CD "Memory" - einer Auswahl an französischen Stücken von Claude Débussy, Eric Satie oder Frédéric Chopin, die alle in einer verschatteten, eher ruhigen "Nachtstimmung" gehalten sind.
Klangvoller Streifzug durch die europäische Kulturgeschichte
| Christine Gehringer | Kritik
Konzertvortrag mit Orgel und Glocken zum Abschluss des Ettlinger Orgelfrühlings
Orgel und Glocken: Einen spannenden Vortrag boten der Glockensachverständige Kurt Kramer und der Organist Markus Bieringer in der Ettlinger Herz-Jesu-Kirche beim Orgelfrühling. (Foto: "Veni Creator Spiritus" - Musik im Geiste der Schöpfung. Teppich von Lüne 1504/05; Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg)
Die Glocke - verewigt unter anderem im berühmten Gedicht von Friedrich Schiller - ist eng mit der christlich-abendländischen Kulturgeschichte verbunden. Sie ruft die Gläubigen zum Gebet, sie zeigte einst den Tagesrhythmus an; sie mahnt zum Frieden und wurde doch auch Opfer von Krieg und Zerstörung: Während des Ersten Weltkriegs beispielsweise wurden Glocken beschlagnahmt und eingeschmolzen, als der Rüstungsindustrie die Rohstoffe ausgingen.
Und schließlich ist die Glocke auch ein Instrument: Jahrhunderte alte Bilder geben Zeugnis davon, dass man sie einst gemeinsam mit der Orgel eingesetzt hat.
Ein äußerst interessanter Konzertvortrag mit dem Glockensachverständigen Kurt Kramer und dem Organisten Markus Bieringer bildete vor kurzem den Abschluss des Ettlinger Orgelfrühlings in der Herz-Jesu-Kirche.
Die Unvereinbarkeit von Kunst und Liebe
| Christine Gehringer | Kritik
Zum 200. Geburtstag von Jacques Offenbach: "Hoffmanns Erzählungen" am Staatstheater Karlsruhe
Endlich einmal wieder eine rundum gelungene Produktion: Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen" in der Regie von Floris Visser am Staatstheater Karlsruhe. (Foto: Falk von Traubenberg)
Rodrigo Porras Garulo ist fast zu Tränen gerührt, als nach der Premiere ein überwältigender Applaus auf ihn niedergeht. Zuvor hat er als Dichter Hoffmann über gut drei Stunden auf der Bühne mit dem Künstler-Dasein gerungen - eine stimmliche wie darstellerische Höchstleistung.
Eine solche Begeisterung hat man in Karlsruhe lange nicht erlebt: Es gab stehende Ovationen und überdies viel Zuspruch für das Regieteam um Floris Visser, der in Karlsruhe bereits vor zwei Jahren mit "Semele" überzeugte.
Poetische Klangbilder aus Fernost
| Christine Gehringer | Kritik
"A propos China": Lieder nach Gedichten aus eintausend Jahren an der Karlsruher Musikhochschule
Liederabend mit Werken aus China: Der Bariton Changyong Liao war zu Gast im Wolfgang-Rihm-Forum. (Foto: Hochschule Für Musik Karlsruhe)
Mehr als 600 junge Musiker aus etwa 50 Ländern studieren an der Karlsruher Musikhochschule. Das Festival "A propos ..." wirft regelmäßig ein Schlaglicht auf eines dieser Länder; nun stand China im Mittelpunkt: Zwischen der Karlsruher Hochschule und dem Shanghai Conservatory of Music besteht eine augenscheinlich fruchtbare Zusammenarbeit; Studierende der Gesangsklasse des Baritons Zhen Zhou - dem Rektor der Hochschule - hinterließen beim eröffnenden Liederabend gleich einen bemerkenswerten Eindruck.
Als "Chinesischer Bariton Nr. 1" wird der Opernsänger Changyong Liao im Programmheft bezeichnet, und das bestätigte beim zweiten Liederabend bereits der große Andrang im Wolfgang-Rihm-Forum: Ausverkauft war der Saal, und die vielen liedbegeisterten Gäste aus China brachten zum Teil sogar ihre Kinder mit; insgesamt herrschte eine fröhliche, ungewohnt lockere Atmosphäre.
Und die zarte Poesie der Gedichtvertonungen aus eintausend Jahren waren eine Entdeckung.
Geisterhafte Schauer-Romantik
| Christine Gehringer | Kritik
Benjamin Brittens Kammeroper "The Turn of th Screw" an der Karlsruhe Musikhochschule
Benjamin Brittens "The Turn of the Screw" in einer Aufführung der Karlsruher Musikhochschule. (Foto: Tom Kohler)
Das Institut für Musiktheater an der Karlsruher Musikhochschule zeigt im Rahmen seiner Opernaufführungen immer wieder Gespür für das Besondere, für interessante Stoffe: in diesem Fall für die Kammeroper "The Turn of the Screw" von Benjamin Britten. Die Geschichte - nach einer Novelle von Henry James (1843-1916) - löst die Grenzen zwischen Realität und Einbildungskraft vollständig auf; die Geister längst verstorbener Personen auf dem Landsitz Bly - sie bestimmen das Geschehen, sie kontrollieren die handelnden Personen. Und Britten versteht es, mit meisterhaften Spannungsmomenten auch in der Musik buchstäblich die Schraube zu überdrehen.
Noch morgen, am 5. Juni, ist das Stück im Wolfgang-Rihm-Forum (19.30 Uhr) zu sehen.
Bei Bach klingt bereits Piazzolla durch
| Christine Gehringer | Kritik
Bruchsaler Schlosskonzerte: Fulminanter Saison-Abschluss mit dem Signum Saxophon Quartett
Bruchsaler Schlosskonzerte: Das Signum Saxophon Quartett und der Akkordeonist Krisztian Palagyi bei der Probe im barocken Kammermusiksaal. (Foto: Hans Peter Henecka)
Zur Region Kraichgau haben diese Musiker offenbar eine spezielle Verbindung: Der ungarische Akkordeonist Krisztian Palagyi, an diesem Abend Gast-Solist beim Konzert des Signum Saxophon Quartetts, gewann in Bruchsal einen internationalen Akkordeonwettbewerb und bemerkte augenzwinkernd, er sei jetzt gewissermaßen "deutscher Meister" . Einer der Saxofonisten wiederum erzählte, dass er als Zehnjähriger mit dem Musikverein seiner slowenischen Heimat bei einem Gastspiel bereits in Untergrombach gewesen sei - wobei ihm dabei vor allem die Trinkfreude der dortigen Bevölkerung im Gedächtnis geblieben ist.
Sympathisch und bodenständig wirkten die fünf jungen Musiker - und sorgten für einen hochvirtuosen Ausklang der diesjährigen Bruchsaler Schlosskonzerte.